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Ortsverein Karlsruhe-Mitte

Exportgut Regimesicherheit

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Im Iran und in China wird das Internet rigide kontrolliert. Die Technologien dafür kommen unter anderem aus Deutschland, aus Schweden, aus den USA. IT-Konzerne aus dem Westen produzieren Software für die »Schaffung einer positiven, produktiven Webkultur in jeder Organisation« – sei das nun ein mittelgroßer Konzern, China oder die Islamische Republik Iran.

von Thomas Ewald

Die Cebit in Hannover 2001 war etwas ganz Besonderes – zumindest aus heutiger Sicht. Denn in Halle 3, am Stand 20c präsentierte die Münchner Firma Siemens Networks ihre neueste Errungenschaft: den »Smartfilter«. Dabei handelte es sich um Software, die an eine Datenbank gekoppelt ist und bestimmte Internet-Adressen filtert, in Kategorien einteilt und gegebenenfalls sperrt. Laut Siemens sollte dadurch verhindert werden, dass Angestellte ihre Zeit mit dem Anschauen von Porno-Seiten, Spielen wie Moorhuhnjagd oder privatem Mailverkehr vertrödeln. Aber das war natürlich nicht alles. Auf Wunsch konnten sich mithilfe der Software von Siemens auch Gewerkschaftswebseiten sperren lassen. Nicht nur die Branche war begeistert. Auch der Chaos Computer Club (CCC) würdigte die Leistung der Programmierer von Siemens mit einem »Chaos Cebit Award«. Grund für die Verleihung des Preises, der aussah wie eine Mischung aus Kaugummiautomat und antiker Säule, waren laut CCC »die besonderen Verdienste, die die Firma Siemens sich mit ihrem Smartfilter um die Internet-Zensur und Kommunikationsverhinderung erworben hat«.

Die Software zur »Kommunikationsverhinderung« wurde seither fleißig weiterentwickelt. Ein Jahr, nachdem das Unternehmen Siemens seinen Coup in Halle 3 präsentiert hatte, übernahm der amerikanische Konzern Secure Computing den Internetfilter und verkündete in einer Presse­mitteilung,dass die »regelmäßig aktualisierte internationale Kontroll-Liste von Smartfilter Millionen Webseiten abhängig von ihrem Inhalt in Gruppen kategorisiert«. Aber noch viel wichtiger ist folgender Zusatz in der Produktwerbung: »Aussagekräftige Reports liefern Details über das jeweilige Surf-Verhalten.« Bei allen Schritten im Web begleitet die Software den Surfer.

Der Smartfilter, der also zwischen guten und bösen Webseiten unterscheidet und dokumentiert, auf welche Seiten die Nutzer zugreifen, trage »zur Schaffung einer positiven, produktiven Webkultur in jeder Organisation bei«, wie es beim Konzern Secure Computing über den Filter heißt. Fraglos kann es sich bei Organisationen, die mithilfe dieser Technik eine »positive Webkultur« schaffen möchten, auch um Staaten handeln. In einem Bericht der Open-Net-Initiative über die Filtertechniken im Iran wird auch der Smartfilter als Zensurwerkzeug erwähnt. Was mit dieser Technik zur Durchsetzung von ›Sicherheitsmaßnahmen‹ letztlich gemacht werde, sei also »keine technische Frage der Arbeitsweise, sondern eine Frage der Intention der Betreiber«, sagt Frank Rosengart vom CCC. Acht Jahre nach der Vorstellung des Smartfilters scheint es, als sei den IT-Sicherheitsfirmen die Intention ihrer Produktkäufer recht gleichgültig.

»Das Monster aus dem Hause Siemens«: Unter dieser Überschrift berichtete im Frühjahr 2008 der Journalist Erich Moelche für den ORF über einen Powerpoint-Vortrag von Siemens, in dem die Firma ein neues Konzept vorstellte. »Intelligence Platform« hieß das neue Produkt eines mittlerweile mit Nokia liierten Konzerns namens Nokia Siemens Networks (NSN). »Als Beispiel wird da angeführt: Suche nach verdächtigen Mustern in über 21 Millionen Verbindungsdatensätzen, die im Netzwerk der jeweiligen Telekom angefallen sind, im Zeitrahmen von einer Stunde«, schreibt Moelche in seinem Beitrag über Siemens Intelligence Platform. Diese auch als Monitoring Center bezeichnete Plattform benutzt bei der Analyse eingehender Daten die Deep Package Inspection (DPI). Während der Smartfilter nur Internetadressen filtern konnte, kann mithilfe der Deep Package Inspection ein Datenpaket vollständig auf bestimmte Schlagworte hin durchsucht werden.

Vergleicht man das Vorgehen des alten Smartfilters und der Deep Package Inspection mit einem korrupten Postboten, so gibt im Fall des Smartfilters der Postbote nur Absender und Adressat der Briefe preis. Im Falle der Deep Package Inspection öffnet der Briefträger den Brief und liest ihn, ohne dass Empfänger oder Absender davon Kenntnis nehmen, um die Inhalte weiterzugeben. Die Deep Package Inspection ermöglicht Orga­nisationen, seien es Konzerne oder Staaten, also ganz neue Möglichkeiten im Vergleich zum alten Filtersystem.

Der Jerusalem Post, der Open-Net-Initiative und dem Wall Street Journal zufolge hat sich das iranische Regime nicht nur mit dem Smartfilter von Secure Computing ausgestattet, sondern hat auch bei Nokia Siemens Networks eingekauft, um genau zu wissen, welcher Iraner wo, wie und wann im Netz ist. Dass im Iran offenbar Werkzeuge wie die Intelligence Platform zum Einsatz kommen, die Deep Package Inspections durchführen können, zeigt die Geschichte einer Anwältin. In einem Beitrag der Washington Times vom vergangenen April wird die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Liliy Mazaheri mit den Worten zitiert: »Ein Freund von mir erzählte mir, dass er einen Anruf vom Geheimdienst bekommen habe, und als es zum Verhör kam, zeigten sie ihm Kopien eines Chat-Dialogs mit mir.« Ihr Freund kam daraufhin ins Gefängnis.

Nokia Siemens Networks gibt mittlerweile zwar zu, ein Monitoring Center an den Iran verkauft zu haben. Doch nach Angaben des Konzerns könne damit nur Verbrechensbekämpfung betrieben werden, hingegen eigne sich ein Monitoring Center wie die Intelligence Platform nicht zum Ausspionieren einzelner Personen. Aber werden Dissidenten im Iran, in China oder ähnlich regierten Staaten nicht wie Verbrecher verfolgt? Angesichts der Tatsache, dass im Iran fast alle ­Internetanschlüsse über die Telefongesellschaft Telecommunication Company of Iran laufen, können offenbar alle Daten jedes einzelnen Kunden gefiltert werden. Viele Experten sind der Meinung, dass das islamistische Regime mit dieser Methode arbeitet. Seit den Wahlen ist es dort kaum mehr möglich, einen Internetanschluss zu finden, der schneller ist als 128 kbit/s – das ist gerade mal die doppelte Geschwindigkeit eines alten analogen Modems. Die Open-Net-Initiative und andere NGO erklären die geringe Geschwindigkeit der Anschlüsse damit, dass dies die Kontrolle durch Filtern sowie das Aufzeichnen personenbezogener Daten von rund 23 Millionen iranischen Internetnutzern erleichtere.

Bei 300 Millionen Internetnutzern in China ist eine solche Datenkontrolle schwieriger. Zwar werden auch in China Filter verwendet, aber bei der Menge der Nutzer kann ein Monitoring System allein nicht alles kontrollieren, ohne das Netz zu stark zu belasten. Die Grundlage der Zensurtechnik bildet in China daher das »Projekt Goldener Schild«, das in Anlehnung an die chinesische Mauer auch »große Firewall von China« genannt wird. Alle Datenpakete werden an drei Knotenpunkten des Datenverkehrs zwischen Ausland und Inland überprüft, ob sie Material enthalten, das der Ideologie des Regimes widerspricht.

Laut einer Studie der Universität Cambridge basiert die Technologie der Chinesischen Internet­überwachung unter anderem auf dem »Secure Intrusion System« der amerikanischen Firma Cisco. Dieses System basiert auf einer mehrstufigen Kontrolle. Die erste Stufe bildet ein so genannter DNS-Block, eine einfache und relativ billige Variante, Websites zu blocken, die ähnlich wie der Smartfilter funktioniert und in etwa den so genannten Internetsperren entspricht, die die Bundesregierung gegen Kinderpornographie einführt. Tippt ein Nutzer beispielsweise www.bbc.co.uk in sein URL-Feld im Browser ein, dann ermittelt ein DNS-Rechner die zu diesem Domainnamen gehörende IP-Adresse. Der DNS-Blocker verhindert die korrekte Zuordnung des Domainnamens zur richtigen IP. Bei den von der Bundesregierung angestrebten DNS-Sperren sollen die Nut­zer statt der gewünschten Seite eine Stopp-Seite sehen. Nutzer, die in China auf chinesische DNS-Sperren stoßen, sehen allein eine Fehlermeldung und können nicht erkennen, ob die gewünschte Seite durch die Zensur gesperrt ist oder ob es sich um ein technisches Problem handelt.

Die nächste Stufe des chinesischen Zensursystems ist ein Begriffsfilter. Trägt eine Seite beispielsweise den Namen gay.com, wird sie gesperrt. Chinas Begriffsfilter wird ständig aktualisiert. Geschultes Personal sorgt täglich dafür, dass die Sperrlisten auf dem neuesten Stand sind. Gegenwärtig sind etwa Seiten gesperrt, die Informationen über die Unruhen zwischen Han-Chinesen und Uiguren beinhalten. Die dritte Stufe ist schließlich die Sperrung von Links auf legalen Seiten. Wenn etwa eine ausländische Seite legal angezeigt wird, diese aber etwa einen Link auf einen englischen Wikipedia-Artikel zum Thema Tiananmen-Massaker enthält, funktioniert die Weiterleitung nicht.

China kann sich bei der Internetzensur auch auf Unternehmen aus dem Ausland stützen. Google liefert in China beispielsweise die gleichen Suchergebnisse wie Baidu – ein chinesischer re­gimetreuer Suchmaschinenbetreiber. Ebenso sperren Yahoo und Microsofts Internetsuchdienst Live eine nicht unbedeutende Anzahl von Treffern. Bald müssen sich auch Hersteller von Computern damit abfinden, die Zensur in China zu unterstützen, wenn sie auf dem weltweit größten Markt weiter präsent sein wollen. Die Zensoren der Kommunistischen Partei hätten gern die Software »Green Dam«, die eigentlich seit dem 1. Juni in jedem Rechner in China installiert sein sollte. Aber technische Schwierigkeiten und Proteste des US-Außenhandelsministeriums haben diese Deadline nichtig werden lassen. Dennoch wurde angekündigt, die Software, die als eine Art »kleiner Goldener Schild« in PC arbeitet, auf jeden Fall einzuführen.

Doch alle Maßnahmen zur Internetüberwachung und Netzzensur rufen stets auch Ideen auf den Plan, wie sich jene staatlichen Kommunikationshemmnisse umgehen lassen. »Raus aus dem Tal der Ahnungslosen« ist etwa das Motto der beiden Künstler Mathias Jud und Christoph Wachter von »Picidae«, die ein System entwickelten, mit dem sich Internetzensur-Techniken umgehen lassen sollen. Ihr einfaches, aber effizientes Grundprinzip ist, dass bisher noch keine Filtersoftware Bilder filtern kann. Während Webseiten nach Wörtern gefiltert werden können, bestehen digitale Bildformate nur aus Codes, die sich auch durch Deep Package Inspection kaum entschlüsseln lassen. Daher ist es möglich, kritische Seiten mittels Screenshots in ein digitales Bildformat umzuwandeln. Mit dieser Methode lassen sich ganze Webseiten als Bilder darstellen.

Das Projekt »Picidae« ist mittlerweile zum Selbstläufer geworden. »Wir wollten das Medium Internet kritischer untersuchen, weil unsere Ansicht als passive Nutzer offensichtlich manipuliert werden könnten. Daher ist es toll zu sehen, dass sich eine ganz eigene Bewegung und Bildersprache entwickelt«, sagt Mathias Jud. Nachdem die beiden Künstler China besucht hatten, gab es dort auch Plakate, die nur mittels Bildern kommunizierten und damit auf die Methode aufmerksam machten, wie sich die Zensur umgehen lässt. Für die beiden Erfinder ist »Picidae« ein Kunstprojekt, um ein Medium infragezustellen und Neugierde zu wecken. Für die Anwender in China oder auch im Iran bietet ihr Projekt dagegen eine Möglichkeit, das Medium Internet frei zu nutzen und Neugierde zu befriedigen.

 
 

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