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Ortsverein Karlsruhe-Mitte

Schwarz, rot, gold, fair...

Presseecho

ein Beitrag aus JW Nr. 6/2010

Ein bisschen »faire Milch« zum fair gehandelten Kaffee? In der neuen Werbekampagne eines Milchvermarktungsunternehmens geht es keineswegs um internationalistische Bestrebungen, sondern um »unsere Heimat«. Die Probleme der Milchbauern löst dieses populistische Lob der Region nicht.

von Winfried Rust

In Landstrichen wie dem Allgäu oder dem Schwarz­wald trifft man häufig auf eine schwarz-rot-goldene Kuh am Straßenrand. Sie besteht aus Hartplastik, ist 2,6 Meter mal 1,4 Meter groß und heißt allen Ernstes »Faironika«. Seit etwa zwei Jahren dient sie dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) als Maskottchen der Proteste für höhere Milchpreise. Der derzeitige Erlös von etwa 28 Cent pro Liter Milch reicht den Erzeugern kaum zum Überleben.

Nun kommt Faironika groß raus: Sie ist das Model für die »faire Milch« der Milchvermarktungs-GmbH Süddeutschland MVS, einer Tochtergesellschaft des BDM. Etwa 1 500 Rewe- und Tegut-Märkte verkaufen die »faire Milch« von bisher etwa 150 Milchbauernhöfen zu einem Preis von 89 Cent (fettarm) und 99 Cent in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg. Das Besondere dabei ist, dass 40 Cent pro Liter garantiert an die Erzeuger gehen. Mit der Nachfrage der Kundschaft in den Läden dürfte der BDM ebenso zufrieden sein wie mit der Resonanz auf die Proteste: Faironika sells.

Während die ökonomischen und sozialen Aspekte der »fairen Milch« in den betreffenden Regionen recht ausgiebig debattiert werden, ist die Symbolik des Marketings kein Thema. Übrigens auch nicht beim Vermarktungsunternehmen oder beim Milchbauernverband, die beide wahlweise die Produzenten loben, die Vorteile für die Kunden preisen und die Vorzüge »regionaler Produktion« hervorheben. Vielleicht ist die sonderbare Kluft Faironikas rein zufällig in der Euphorie auf der Fanmeile bei der Fußball-WM oder -EM entstanden? Wie kommt man überhaupt darauf, dass Nationalfarben fairen Handel symbolisieren könnten? Gilt die Nation etwa als Institution, die nicht nach kommerziellen, sondern nach politischen Kriterien entscheidet?

Manches Argument des BDM liest sich geradezu wie ein linksalternatives Statement. Der Geschäftsführer der MVS, Jakob Niedermaier, bezeichnete etwa das Konzept der »fairen Milch« als eines, bei dem der übliche »Marktablauf auf den Kopf gestellt« werde. So werde bei der Preiskalkulation das, was der Hersteller zum Leben und zum Herstellen der Milch benötige, an die erste Stelle gesetzt (40 Cent pro Liter), dann erst folge der Rest.

Tatsächlich appelliert die schwarz-rot-goldene Kuh nicht an die rationale, politische oder soziale Entscheidung des Käufers, wegen der besseren Argumente für die »faire Milch« tiefer in die Tasche zu greifen. Die Kuh appelliert an das Gefühl der Zusammengehörigkeit: Du bist deutsch, ich bin deutsch, deshalb unterstützen wir uns, wo es geht. Und Milch ist ja auch nicht irgendein Plastikschnickschnack, sondern ein besonderer Stoff. Als Grundnahrungsmittel und vermeintlicher Quell des Lebens scheint die Milch dem vermeintlichen Ursprung des Seins nahe zu sein.

In Baden-Württemberg fand im vorigen Oktober eine Aktion des Ministeriums für Landwirtschaft und Ernährung statt, unter dem Motto: »Milch aus Baden-Württemberg – ich mag dich«. Auf einem Plakat war ein Mädchen in weißer Bluse, mit blonden Zöpfen und einem Glas Milch in den Händen zu sehen, das einen mehr an den Bund deutscher Mädel denken ließ als an den Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, dessen Abkürzung ohnehin nicht sehr geschickt gewählt ist. Mit dem Schriftzug »Ein anständiges Mädel trinkt deutsche Milch« wäre das Bild wohl auch in keinem Geschichtsbuch über den Nationalsozialismus aufgefallen. Eine andere »faire« Milch aus dem Augsburger Raum, deren Produktion gerade wieder eingestellt wurde, wurde beworben mit dem Slogan »Bauernmilch – ein gutes Stück Heimat«. Das Pendant von Edeka Südwest heißt schlicht »Unsere Heimat«.

Auch die Badische Zeitung debattiert die »faire Milch« in Verbindung zu ihrer regionalen Herkunft. Auf der Meinungsseite entdeckte ein Autor das Problem, dass die »faire Milch« bayerischer Herkunft Kaufkraft aus Südbaden abziehe, fuhr jedoch fort: »Nun könnte man argumentieren, Bayern gegen Südbaden auszuspielen, sei nicht korrekt.« Die Synthese lautete: »Aber wer in regionalen Kategorien denkt, sollte kaufen, was die eigene Region bietet.« Wie so häufig bei der Begründung ideeller Gemeinschaften wird hier im Zirkelschluss argumentiert.

Mit einer politischen Argumentation hat das alles wenig zu tun, dafür mit Heimattümelei als Marketingstrategie. Entsprechend zeichnet sie sich fast durchgehend durch Sinnfreiheit aus. Für die erwähnte Edeka-Milch »Unsere Heimat« wird mit dem Satz geworben: »Unsere Milcherzeugnisse kommen von Milchbauern aus der Region. Sie schmecken es.« Hat die Milch im Südwesten der Republik etwa einen ganz eigentümlichen Geschmack?

Zwar finden sich auch nachvollziehbare Sätze wie: »Der kurze Weg zu unseren Produzenten spart weite Transportfahrten und CO2.« Allerdings ist der Bezug auf die Region dennoch irreführend. Gegen eine dezentrale Produktion und kurze Transportwege ist nichts einzuwenden. Kategorien wie »badisch« stehen dem jedoch entgegen. So ist etwa von Freiburg aus betrachtet die Strecke nach Karlsruhe um ein Vielfaches länger als die ins französische Elsass. Die Diskussionen um ökologisch sinnvolle Flächennutzung, die Umstrukturierung der Landwirtschaft und Möglichkeiten dezentraler Logistik kann man führen. Blonde Zöpfe und Lokalpatriotismus helfen da allerdings nicht.

Dabei fehlt es nicht an rationalen Argumenten für viele Vorstellungen des BDM. Die »faire Milch« ist mit Auflagen an die Erzeuger verknüpft, die die Landwirte beispielsweise in die Pflege der Kulturlandschaft an Ort und Stelle einbeziehen. Seit Jahren bewegt sich der Milchpreis durchschnittlich zwischen 26 und 34 Cent pro Liter. Die als kostendeckend angesehenen 40 Cent wurden nur kurzfristig Ende 2007 auf dem Höhepunkt der Milchbauernproteste erreicht, dann sank der Preis wieder auf teilweise 22 Cent. Die den Milchbauern zugesicherten 40 Cent bei der »fairen Milch« sind durchaus politisch zu verstehen und sollen zeigen, dass es auch anders geht.

Zur Politik des BDM gehört darüber hinaus die Forderung nach einer Verringerung des Überangebots an Milch. An solche Regulierungsforderungen ist wiederum geknüpft, dass Milchbauern im Fall von Frühverrentungen sozial abgesichert sind. Der 1998 gegründete BDM brachte, im Gegensatz zu den etablierten Milcherzeugerverbänden und dem Deutschen Bauernverband, immer wieder Bewegung in die scheinbar ausweglose Lage der Milchbauern. Spannend ist, dass der Verband mit seinen Forderungen, Streiks und Blockadeaktionen den Nerv der Zeit getroffen hatte. Angesichts zunehmender Niedriglohnarbeit und prekärer Beschäftigungsverhältnisse sympathisierte ein ansehnlicher Teil der Bevölkerung mit den Forderungen, obwohl sie höhere Ladenpreise bedeuten.

Als ökonomischer Akteur hat der BDM in einer schwierigen Situation einiges erreicht. Aber nun prangt die Bezeichnung »fair«, die dem explizit internationalen Begriff des Fair Trade und der darin beinhalteten Kritik am Handelssystem entliehen ist, ausgerechnet neben den Nationalfarben. Die Handelsunternehmen in Deutschland machen aber angesichts des Überangebots von Milch weiter ihren Job und drücken die Preise. Faironikas Schwarz-Rot-Gold steht eher für eine Fairness gegenüber Aldi. Heinrich Heine hat aus dieser Situation einmal den »Fluch dem falschen Vaterlande« abgeleitet, nicht dessen populistisches Lob.

 
 

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